Die Sioux hatten ein gesteigertes Bewußtsein von der Macht, und für sie stand die Bedeutung ihrer Nation im Mittelpunkt. Nicht nur der Bison bildete die wirtschaftliche Sicherheit, sondern auch ihre Raubzüge gegen andere Stämme. Vor allem die Erbeutung von Pferden und die Unterwerfung von anderen Menschen war für sie wichtig für das Überleben. Dies war gleichbedeutend für die Erhaltung ihrer Lebensweise.
Das Wesen der Sioux-Gesellschaft basierte auf das Führen von Kriegen. Aggression gegen andere Stämme garantierte Sicherheit. Dies brachte Ansehen, Reichtum und wirtschaftliche Macht für den Stamm. Vorrangigste Rolle des Mannes war nicht die Nahrungsbeschaffung durch Jagd, sondern war auf den Krieg ausgerichtet. Dass sich die Sioux fast ununterbrochen Kriege gegen benachbarte Stämme leisten konnten, lag an der Leichtigkeit der Beschaffung von ausreichender Jagdbeute, was mit der Einführung des Pferdes sogar noch einfacher wurde. Ein erfolgreicher Jäger zu sein, brachte keine Ehre, wenn es nicht zum Wohle des Stammes reichte, hingegen hervorragende Krieger galten als Helden.
Schon von Kindesalter an erlernten die Knaben den Umgang mit Pfeil und Bogen und ahmten spielerisch schwierige Situationen auf dem Kampffeld nach. Jungen, die das Jünglingsalter erreicht hatten, wurden oft auf Kriegszüge als Wasserträger mitgenommen. Sie standen dabei unter dem Schutz von erfahrenen Erwachsenen – oft eines nahen Verwandten. Der Jüngling galt bei dem Kriegsunternehmen als Glücksbringer und war auch Symbol für die kommende Generation. Seine Pflichten waren seinem Alter angepaßt und dienten dazu, die Bedürfnisse der Älteren zu befriedigen.
Die Heranwachsenden waren so auf den Krieg enragiert, dass nur in Ausnahmefällen Eltern ihre Söhne zum Waffengang drängen mußten. Ruhm und Ansehen zu erlangen, begeisterte die jungen Männer so intensiv, dass sie sich gegenseitig Einladungen zu Raubzügen brachten und nachts heimlich, um einem Verbot der Eltern zu entgehen, aus dem Dorf schlichen. Die Väter waren stolz auf den Unternehmensgeist ihrer Söhne, hingegen die weiblichen Verwandten weinten und klagten.
Frieden bedeutete für die Sioux höchstens Waffenstillstand, denn Krieg brachte für den einzelnen Besitz – Pferde vom Feind. Dies führte auf direktem Weg zu Wohlstand, Ansehen und Kriegsehren. Krieg stärkte aber auch die wirtschaftliche Grundlage für die gesamte Sioux-Gesellschaft. Um den Wohlstand zu behalten, war es notwendig, die Gebiete mit den reichsten Bisonbeständen vor Plünderungen zu schützen und das Territorium auszudehnen.
Die Pawnee mußten im Sommer 1873 die Entschlossenheit der Sious erfahren, als sie entlang des Südufers des Platte Rivers Bisons jagten. 1.000 Sioux-Krieger töteten fast zweihundert der Eindringlinge – Männer, Frauen und Kinder. Auch die Kiowa, die in der Black Hills lebten, wurden von den Sioux aus ihrem Stammesgebiet vertrieben.
Aber auch die Sioux waren vor Angriffen von Feinden, die es in allen Richtungen gab, nicht sicher. Sie wollten auch Ruhm und Reichtum erlangen, und den Wohlstand ihrer Nationen steigern. Selbst große Lager waren Ziel der Angriffe, denn das Durcheinander während eines Überfalls, konnte lohnende Beute erbringen.
Frauen und Kinder mußten tagtäglich beschützt werden. Es gab keine Zeit längeren Friedens, und es gab keine Nacht, wo ein Angriff nicht möglich war. Stä,ndige Wachsamkeit war dringend erforderlich, besonders bei Einbruch der Nacht. Die Pferdeherde wurde sorgfältig bewacht, wertvolle Pferde vor dem Zelt angeflockt, die Männer schliefen mit den Waffen neben sich und Kinder wurden erzogen, nicht zu weinen, denn dies konnte den Feind anlocken. Extreme Wetterverhältnisse, wie Schneestürme oder heftige Kälteeinbrüche, waren die sicherste Zeit vor Angriffen.
Die größte Gefahr bestand, wenn eine kleine Familiengruppe auf Jagd ging und vom Feind angegriffen wurde. Wenn sich die Männer für bessere Jagdergebnisse notgedrungen verteilten, war die Gruppe von Frauen und Kindern leichte Beute für feindliche Gruppen auf dem Kriegspfad – sie war der Vernichtung preisgegeben.
Um 1830 war die Lebensweise der Sioux so stark auf Verbrauch ausgerichtet, dass die Wirtschaft nur durch Ausbeutung aufrechterhalten werden konnte. Dies billigte Krieg, der Wohlstand brachte. Für den Krieg waren wichtigste Beweggründe Vergeltung, Verteidigung, Eroberung und Raub. Die Sioux glaubten an ihr System als Volk wie auch als Nation – sie waren überzeugt von sich als einzelnen, ebenso als Gruppe. Die frühesten Kriege galten der Verteidigung und dann der Vergeltung, später kam noch das Bedürfnis der Eroberung und der Mehrung des Wohlstandes hinzu. Der Krieg befriedigte und der Sioux-Krieger kam zu Ehren.
Wurde der Mann einer Familie vom Feind getötet, erlitt diese Familie einen unersetzlichen Verlust. Nicht die Gruppe, sondern die Familie übernahm die Verantwortung, dieses Unrecht zu vergelten, jedoch konnten sie der Unterstützung von Stammesangehörigen sicher sein. Solche Fehden des einzelnen konnten zu Feindseligkeiten zwischen Indianer-Nationen führen. Nationen, die im Frieden mit ihren Nachbarn leben wollten, achteten darauf, keinen anderen Stamm Schaden zuzufügen. Wer auf Krieg aus war, der verhielt sich entsprechend so.
Die größte Kriegsehre in einem regelrechten Wettbewerbssystem war der begehrte Coup, der eigentlich für das Berühren eines Feindes gedacht war, wurde aber später auch für andere tapfere und waghalsige Taten eingeführt. Für die Erreichung der meisten Coups – es gab ein abgestuftes Punktesystem – kam es zu einem Wettbewerb unter den Kriegern.
Der bedeutungsvollste Coup erreichte der Mann, der natürlich zuerst den Feind berührte. Für diese Tat durfte er eine aufrecht stehende, am Hinterkopf befestigte, Goldadlerfeder tragen. wer als Zweiter den gleichen Feind berührte, wurde Träger einer nach links geneigten Adlerfeder. Dem dritten kam das Recht zu, eine waagerechte Adlerfeder am Hinterkopf anzubringen. Der vierte und letzte wurde Träger einer senkrecht hängenden Bussardfeder. Weitere drei Federn dienten der Zählung der erreichten Coups. Coups konnten sowohl bei einem Mann, einer Frau als bei einem Kind erreicht werden. Der Verdienst bestand darin einen Feind zu berühren, aber nicht zu töten – der nahe Kontakt bedeutete Mut. Tötete ein Krieger einen Feind mit Pfeil und Bogen, aber zuvor waren am gleichen Feind vier Coups erlangt worden, ging der Schütze leer aus. Der Coup – die Berührung des Feindes – konnte sowohl mit der Hand, mit dem Bogen, mit der Lanze oder Zubehör seines Bundes wie Rasseln oder Peitschen ausgeführt werden. Jeder Coup wurde später beschworen und bezeugt. Unglück und Schande brachte es, wenn ein Feind an einem selbst einen Coup landen konnte.
Für die Tötung eines Feindes im Nahkampf wurde als Coupsymbol eine rote Hand auf die Kleidung oder auf das Pferd gemalt. Rettete man im Kampf einen Freund, so durfte die Kleidung ein Kreuz erhalten. Ein Doppelkreuz erhielt derjenige, welcher einen Freund auf seinem Pferd aus der Gefahr brachte. Rote senkrechte Linien auf der Leggings bedeuteten, dass man verwundet wurde, ebenso rot gefärbte Coupfedern. Wurde das Pferd im Kampf verwundet, so zeigte man das durch eingekerbte Federn. Für die Entdeckung des Feindes erhielt der Späher seine Ehrung in Form einer schwarzen Feder, deren Fahne bis auf die Spitze abgelöst war. Pferdediebstahl war eine besondere Kriegstat, mit der der Mann wirtschaftliches Gut erlangte. Für jedes erbeutete Pferd wurde in entsprechender Farbe des Tieres ein Huf auf die Leggings oder die Coupfeder oder auf das Pferd gemalt. Auch konnte er seinen Reichtum an Pferden durch ein kleines Seil am Gürtel ausdrücken: Hatte er weniger als zehn Pferde erbeutet, trug er nur das Seil – bei mehr noch zusätzlich einen kleinen Mokassin. Von Gruppe zu Gruppe der Sioux konnte aber diese Symbolik einwenig abweichen. Alles was nicht als Tapferkeit gelten konnte, war Feigheit. Es war besser in einen Kampf oder einer Schlacht zu sterben. Dies bedeutete eine enorme psychologische Belastung des einzelnen. Medizinmänner konnten schützenden Kriegszauber – sogenannte Wotawes – anfertigen, um dem geforderten Ideal näher zu kommen.